Lüttich-Bastogne-Lüttich – Ein Rennen für Jedermann

Das Radrennen Lüttich–Bastogne–Lüttich (französisch Liège–Bastogne–Liège), auch La Doyenne (französisch Die Älteste) genannt, ist das älteste noch ausgetragene Eintagesrennen und wird zu den fünf sogenannten Monumenten des Radsports gezählt. Wenn Sonntags die Profis die Strecke absolvieren, waren bereits tags zuvor die Jedermänner am Start. Mit dabei aus den Reihen des RSV Forchheim war Ben Witt. Seine Eindrücke schildert er im nachstehenden Bericht:

Schon lange im Voraus geplant und mit meinem Freund Bart Bury aus Belgien geplant, stand am 21.04.2018 die Liége – Bastogne – Liége Challenge auf dem Programm. Den ältesten Eintagesklassiker einmal hautnah zu erleben und das Erlebnis ein Monument gefahren zu sein abgehakt zu haben. Die Vorbereitung im Winter und Frühjahr war mit einigen langen Einheiten gespickt um bei den knapp 280km und 4300hm durch die Ardennen nicht vollkommen unterzugehen.

Die Ankündigung von Bart Bury am Freitagabend, mangels Trainingskilometer die mittlere Distanz von „lediglich“ 153km in Angriff nehmen zu wollen hielt ich anfangs noch für einen Scherz. Ebenso die Aussage, dass es „locker reichen würde, wenn man zwischen 8:30h und 9:00h auf die Strecke geht“.

Am Samstagmorgen ging es entspannt um 7.30h auf die einstündige Autofahrt von Overeijse nach Lüttich. Am Start herrschten bereits beste Bedingungen bei milden 17 Grad – somit konnte „La Doyenne“ in Kurz-Kurz gefahren werden. Die ersten 9km verliefen sehr unrhythmisch durch Lüttich inkl. einiger Ampelstops. Die gesamte Stadt war voller Radfahrer. Es waren tausende. Der offizielle Start der Profis erfolgt am Ortsausgang von Ans und beginnt mit einer schön gleichmäßigen Steigung.

Ab hier war Alarm angesagt. Bart hämmerte in typischer Manier ab dem ersten Meter und wir fuhren wie entfesselt an hunderten von Rennradfahrern vorbei. Abwechselnd in der Führung gingen die ersten 40km wie im Flug vorbei. Keiner wollte und konnte unserem Tempo folgen.

Dann der entscheidende Moment – Streckenteilung bei KM 47. Bart machte es tatsächlich wahr und „verabschiedete“ sich auf die 153km Runde, wünschte mir viel Spaß und bog nach Links ab. Ich fuhr auf der offiziell 273km Strecke und war schlagartig alleine. Mein Verdacht bestätigte sich – 8.45h Startzeit für die Lange Strecke, mit der offiziellen Startzeit von 6.30h wird eine zähe Sache. Ich haderte mit mir und meinem Vorhaben und ob ich nicht doch umdrehen und auf die 153km Strecke ausweichen soll…. Letztendlich ist „La Doyenne“ aber nur „La Doyenne“, wenn die volle Distanz gefahren wird. Somit war der Beschluss gefasst und der Kopf war im Rennmodus – auch wenn die Liége – Bastogne – Liége Challenge offiziell ohne Zeitnahme ist.

Auf dem Weg nach Bastogne ist mir für 1h30min KEIN EINIZIGER Fahrer begegnet. Es war ein einsames Zeitfahren über breite, aber verkehrsarme Straßen. Nach 100km und 1400hm wurde an der ersten Verpflegung in Bastogne kurz aufgetankt. Die Labe war bereits komplett am Zusammenbauen. Einige, bereits ziemlich leergefahrene Gestalten, tummelten sich um die Verpflegungstische um Energie für die verbleibenden 180km zu tanken…. Ich verweilte nur kurz zum Auftanken und nahm wieder Tempo auf. Ab Bastogne war die Strecke wie gefüllt von (sehr langsamen) Fahrern. Im Minutentakt wurde überholt – teils Einzelfahrer, teils große Gruppen. Das Profil war typisch Ardennen – ein ständiges Auf und Ab.

In Houffalize stand mit der 2. kategorisierten Steigung des Tages die „Côte de St Roche“ mit 20% Maximalsteigung auf dem Programm – ein Vorgeschmack auf das was noch kommen sollte. Die Beine, das Wetter, die Stimmung waren nach wie vor gut. So vergingen KM für KM wie im Flug – ständig am Überholen der (weiterhin langsamen) Mitfahrer. Die richtig schwierigen Anstiege standen aber noch aus – das Finale hat es in sich…

Nach Côte de Mont-Le-Sole, de Pont, de la Ferme Liberte standen ab KM 200 die großen Namen Rosier, Maquisard, La Redoute und Roche aux Faucons auf dem Programm. Die Ermüdung machte sich aufgrund des anhalten hohen Tempos so langsam bemerkbar. Fährt sich der Col de Rosier noch sehr gleichmäßig und locker neben die Steigungsprozente bei den folgenden Steigungen deutlich zu. Die 19% Rampen am Col de la Redoute taten schon ordentlich weh, wobei die Côte de Roch aux Faucons, Schauplatz der Rennentscheidung durch Bob Jungels beim Profirennen 2018, die unangenehmste Steigung war.

Immer noch pflügte ich durchs Feld und Ausruhen im Windschatten war wegen des langsamen Tempos der anderen keine Option. Mit dem Erreichen der Periphere von Lüttich war das Finale eingeläutet – mit der Côte de St. Nicholas wartete die letzte knackige Steigung des Tages. Noch einmal wurde das letzte aus den Beinen gepresst und mit immerhin 360 Watt Durchschnittsleistung der letzte Anstieg bewältigt. Nach 279km, 4300hm, 8h50 kam ich wieder am Auto an. Ziemlich leer aber sehr zufrieden mit dem Tag. Ein tolles Event mit über 8000 Startern und herrlichem Aprilwetter!

Die „Performancezahlen“ des Tages: Schnitt 31,5kmh ( ohne Lutschen ) und 240 Watt Durchschnittsleistung/ 280 Watt NP.

Das war der erste Frühjahrsklassiker für mich – mal sehen was nächstes Jahr auf dem Programm steht.